Guten Morgen meine Lieben,
Herr Morse ist mir die ganze Woche nicht aus dem Kopf gegangen, er hat sich mit seinen Spinnenbeinen festgekrallt und mich überall hinbegleitet.
Wir verließen das Hotel „Le chien“ und seine Angestellten in dem Moment, als Herr Morse abwartend vor der Metternich stand. Louisa hielt gespannt den Atem an. Was würde dieser Herr Morse jetzt tun? Frau Metternich anschreien? Sie liebenswürdig bitten zu gehen? (was die unwahrscheinlichste Variante war)
Frau Metternich tippte eifrig in ihr Smartphone. Zuerst huschten die feisten Fingerchen flugs über die Tastatur, doch langsam wurde die Tipperei unrhythmisch, immer wieder runzelte sie die Stirn, etliche Male hämmerte sie auf die gleiche Stelle und irgendwann hörten ihre Fingerbewegungen ganz auf. Frau Metternich verlagerte ihre Gewicht, zog die Schultern hoch, ließ sie wieder fallen, lockerte mit kreisenden Bewegungen der Schultern die Nackenmuskeln. Etwas schien sie zu irritieren, sie wusste nur nicht so recht was. Doch dann sah sie auf. Frau Metternich erstarrte. Das Handy in der Hand zitterte plötzlich, zuerst nur als wage Bewegung sichtbar, doch dann recht deutlich. Sie verstärkte den Griff um den Henkel ihrer Handtasche, presste die Lippen zusammen. Dann schüttelte sie kurz den Kopf und legte diesen schief. Leider konnte Louisa Herrn Morses Gesichtsausdruck nicht erkennen, doch er irritierte Frau Metternich sichtlich. Sie setzte zum Sprechen an, öffnete den Mund, runzelte abermals die Stirn, zog die Nase kraus, schloss den Mund. Hektisch wischte sie mit dem Handrücken über das Kinn und den Mund, verschmierte dabei leicht ihren beerenfarbenen Lippenstift. Louisa rührte sich nicht, die ganze Situation war unheimlich. Alle Geräusche schienen verstummt zu sein, da waren nur der dürre Morse und die hochgradig nervöse Frau Metternich. Diese hüpfte plötzlich wie von der Tarantel gestochen in die Höhe.
„Ich…ich gehe. Verstehe, den Job bekomme ich wohl nicht, macht nichts, bemühen sie sich nicht…ich bin schon weg!“ stammelte sie. Um dem Morse nicht zu Nahe zu kommen, drückte sie sich um den Sessel herum, einen weiten Bogen beschreibend Richtung Rezeption, wo Louisa stand. Frau Metternichs Gesicht war weiß wie die frisch gewaschenen Leintücher des Hotels, der verschmierte Lippenstift stand im krassen Gegensatz dazu. Die Lippen waren fest aufeinander gepresst. Das „Auf Wiedersehen“ konnte Louisa deshalb auch fast nicht versehen. Sie sah der davon wieselnden Frau Metternich hinterher.
„Frau Rabenschwarz?“ erklang eine leise, doch durch Mark und Bein gehende, Stimme. Herr Morse hatte sich zwischenzeitlich angeschlichen und stand keinen Meter hinter ihr.
„Ja?“ Louisas Stimme war am ehesten mit einem krächzenden Raben vergleichbar.
„Ich würde es vorziehen gleich heute zu beginnen. Es gibt viel zu tun!“
Nun meine Lieben, nun wisst ihr, wie Louisa den Herrn Morse kennengelernt hat. Ein denkwürdiger Tag, denn Herr Morse ….aber nein, das wäre hier schon zu viel verraten.
Louisa wurde weiterhin bei der Auswahl des Personals hinzugezogen, Herr Morse verbreitete unter den Interessenten (für Franziska Potter unerklärlich) zu viel Unruhe.
Ein wunderschönes Herbstwochenende
Eure Louisa